das leben ist gelegenheit genug, vor allem um darüber zu schreiben. eine kolumne über das leben als chronisch psychisch erkrankter mensch.
01. - 07. dezember (written 06.12.2025)
tagklinik-behandlung tag sechs bis dreizehn
innere bestandsaufnahme:
- neu anfangen ist nach den letzten jahren leichter geworden. aber ob ich gruppenverträglich bin, frage ich mich immer noch.
- ich lebe in einer anderen welt als diese menschen. nicht, weil sie es leichter gehabt hätten als ich (eher im gegenteil) sondern weil ich ganz real nicht im selben setting gelebt habe wie sie. ich weiß: keiner von ihnen kennt meine erfahrungen, und genauso wenig kann ich ihre nachempfinden. in diesen tagen möchte ich weniger therapieerfahrung haben und mehr konzerte, mehr drogen und weniger psychopharmaka probiert haben, und statt zu wissen wie man mit menschen mit psychosen kommunizieren kann hätte ich lieber von irgendwelchen one night stands erzählt.
- die zeit lässt sich nicht zurückdrehen. die zeit lässt sich nicht zurückdrehen. die zeit lässt sich nicht zurückdrehen
- "sie sprengen die gruppe nicht", sagt die ergotherapeutin, und ich glaube ihr nicht, weil sich schließlich alle sorgen gemacht haben.
- ich habe emotionalen muskelkater
sonderkategorie: ich bewerte meine entscheidungen der woche
01.12.2025, montag
- über die zuhausestation in der lieblingsstadt sprechen - 3/10, in dem moment schön, danach ganz viel gefühl
- auf dem weg zur straßenbahn komplett dissoziieren und vor schmerzen fast zusammenbrechen - -10/10, streng genommen aber keine entscheidung!
- perfekt in meine notfallskillkette übergehen und damit sicher nach hause kommen - 10/10
02.12.2025, dienstag
- der kliniktherapeutin zutrauen, sich an absprachen zu halten - 1/10, vielleicht hat sie's jetzt verstanden?
- bowldressing gut hinbekommen - 12/10, very proud of that still.
03.12.2025, mittwoch
- glauben, zweihundertachzig antworten bei einer online diagnostik gelöscht zu haben - 3/10, punkte, weil alles immerhin zwischengespeichert hatte
- direkt nach der tagklinik hosen kaufen gehen - 7,5/10, wäre sonst nie gegangen
- nach dem shoppen noch lange bei einem studiumsfreund sein und quatschen - 9/10, etwas zu lang um danach noch einkaufen zu gehen, aber sehr schön!
- storys von 2024 und 2023 durchschauen - 2/10, ich wollte nur den vergleich zum wrapped, und den hab ich gefunden, mich dabei aber auch sehr selbst getriggert
04.12.2025, donnerstag
- morgens zu spät für smoothie aufstehen - 4/10, nicht im ansatz ideal, aber nicht weiter schlimm
- mittagessen zuhause vergessen - 0/10, nicht vegane alternative aus der tagklinik hat absolut ekelhaft geschmeckt, won't do it again
- einkaufen - 6/10, furchtbare experience, aber essen besorgt, also win
- abends lieblingsnudeln kochen - 10/10, dabei mit dem mitbewohner gequatscht und sehr lecker einfach
05.12.2025, freitag
- sporttherapie weiter machen trotz angst - 7/10, stressig, aber immerhin
- riesen trigger in einem raum vergessen, dann dissoziieren und damit dafür sorgen dass alle sich sorgen machen - -5/10, schrecklich
- nach gespräch fragen weil panik nicht aufhört - -6/10, hieß "keine zeit", trotz des tausendfachen versprechens dass jederzeit möglich, "ich bin zu viel" und "keiner sieht mich", weinendes kind all over
- ergotherapeutin zu quatschen (auf dem boden im gruppenraum) - 9/10, ein ticken zu intense und verletzlich für vor dem wochenende, aber immerhin finden wir beide hühner toll
- denken, mein handy ist kaputt weil das kabel nicht mehr rein passt und aber auch nichts in dem ding drin ist - -5/10, war erstaunlich entspannt, aber trotzdem krise, problem hat sich dann nachdem ich schon mit einer werkstatt telefoniert hatte gelöst, lag am kabel, also wieder alles gut
was gut tut:
- den sonnenuntergang fotografieren, jeden nachmittag
- menschen um mich haben
- weiteratmen
drei mittelgroße fragen:
- wie alt bin ich?
- wie kann ich mir selbst helfen?
- was gibt es morgen zum essen?
with love,
anna
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