im rewe teilt eine mitarbeiterin rosen aus. sie lächelt und reicht mir eine. "alles gute zum weltfrauentag", sagt sie.
eine freundin gratuliert mir. ich verstehe das konzept nicht, erwidere aber das "alles gute" einfach - es ist die dritte nachricht dieser art.
ich lege einer nachbarin die rose aus dem rewe vor die tür. auf die beiliegende karte male ich rosa blumen, fasse die farbe der rose auf. es sieht mädchenhaft, jung und unschuldig aus, und das ist es, was ich will. ich möchte, dass sie weiß, dass dieses geschenk von einer schwester kommt, nicht von einem verehrer. dass sie keine angst vor diesem geschenk haben muss
ich habe meine haare abrasiert. in den augen meiner oma habe ich damit trotz langer röcke, sommerkleidern, glitzerndem schmuck und vor allem tief empfundenem frau-sein meine gesamte weiblichkeit verloren. sie ist scheinbar mit meinen langen haaren von mir abgefallen, hat sich aufgelöst als die strähnen fielen. auch meine mutter, der ich freudestrahlend erzählte, wie wichtig dieser schritt war, erklärte damals, sie müsse sich daran gewöhnen, dass ich meinen brüdern nun so ähnlich sehe. "du hattest doch so schöne haare
weiblichkeit hat weich und fließend zu sein. sie hat unreinheiten zu überschminken, lange haare zu haben und sich mit geschenkten rosen zufrieden zu geben. sommerkleider machen mich im auge der welt frau, ein buzzcut nimmt mir eben dieses tief empfundene frau-sein. ich soll meinen körper zeigen, lächeln wenn die männer an der ampel mir zurufen, aber nicht zu viel, sonst habe ich schließlich danach gefragt. sei höflich und angepasst, bitte, aber natürlich darfst du deine meinung sagen, nur im richtigen tonfall, bloß keine hysterie.
es ist "weltfrauentag", und ich freue mich über die rose, die ich meiner nachbarin vor die tür lege. aber ich möchte mehr.
ich möchte, dass weiblichkeit laut und wild sein darf. dass lackierte fingernägel an den händen derer sind, die sie tragen wollen. ich will wildblumen pflücken und meine langen röcke tragen, und gleichzeitig freiheit um ohne angst nachts draußen zu sein. ich möchte meinen geschlechtsausdruck selbst definieren, möchte, dass klar ist, dass niemand und nichts die erlaubnis hat, mir meine weiblichkeit abzusprechen wegen der art wie ich meine haare trage.
und dieser text, dieser text ist nicht dafür da um euch die üblichen fakten aufzuzählen. ich bin nicht die richtige für aufklärung darüber, wie wenig es gleichheit in diesem system gibt. ich kann dazu nichts sagen, was nicht andere bereits sinnvoller gesagt hätten. aber ich möchte meine beschränkte reichweite nutzen, um wieder und wieder zu wiederholen, dass weiblichkeit kein verdammtes aussehen hat.
trag den verdammten nagellack.
schneid die verdammten haare ab.
zieh das verdammte kleid an.
verschenk all die verdammten röcke, wenn du dich in ihnen eigentlich nicht wohl fühlst.
leb in den verdammten hoodies und turnschuhen.
trag die hohen absätze, weil sie dir so verdammt gut gefallen.
trag glitzenden lidschatten ohne grund, oder schminke dich überhaupt nicht.
aber merk dir eins: nichts davon definiert dein geschlecht. niemand hat das recht dir etwas zu- oder abzusprechen, nur aufgrund der art wie du aussiehst. wähl deine (nicht) weiblichkeit, such nach dem, was sich richtig anfühlt. und an diesem "weltfrauentag", lass mal nicht nur für die gleichberechtigung der frau kämpfen, sondern parallel auch für uneingeschränkte weiblichkeit, lasst uns wütend und laut sein, wenn wir das wollen, und uns über blumen freuen. und vor allem, lasst uns zusammenstehen. als frauen, als weiblich gelesene personen, als menschen, die bei geburt als weiblich definiert wurden, als wesen, die ihre identität leben wollen, ohne, dass das patriarchat sie bestimmt.
weiblichkeit - stärke, freiheit, blumen und geballte fäuste. heute, morgen, immer!
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