ich bin hässlich.
in der fünften klasse sehe ich anders aus als andere. ich trage farbe, nicht wie die schönen mädchen jeans und gedeckt. ich finde zum ersten mal heraus, dass ich anders aussehe als andere kinder. ich bin elf jahre alt. ich mag mich nicht.
ich bin hässlich.
spätestens mit vierzehn schminken sich meine klassenkameraden. auch ich versuche das, um schön zu sein. ich habe akne und schaffe es nicht, irgendetwas aus mir zu machen. ich trage nicht gerne schmuck, er stört mich, und vergesse regelmäßig, dass ich ohrlöcher habe, bis sie zuwachsen. ich fühle mich nicht wohl in bauchfrei und hotpants. ich weiß nicht mehr weiter. ich mag mich nicht.
ich bin hässlich.
ich komme in die zehnte klasse. schminken habe ich längst aufgegeben, aber ich trage was ich tragen will nur noch zuhause. in die schule gehe ich so unauffällig wie möglich. kurz mag ich immer noch nicht. aber ich gebe mir mühe, so nah am stil der anderen zu bleiben wie möglich. ich versuche alles, um nicht aufzufallen. ich mag mich nicht.
ich bin hässlich.
ich bin neunzehn. um die narben im sommer verstecken zu können, beginne ich, blusen zu tragen, teilweise mit spitze. meine röcke gehen immer bis zum knie, und langsam kommen auch langärmelige sommerkleider dazu. meine haare sind zwanzig zentimeter kürzer. ich beginne, mich in manchen dingen schön zu fühlen. ich trage meine mondin. ich zweifle trotzdem jeden tag. ich habe das gefühl, die blicke der leute zu spüren. ich kann meinen körper selbst kaum ertragen
ich bin hässlich.
ich bin einundzwanzig. ich suche mich selbst. nach jahrelangem kampf gegen mich versuche ich die version von mir zu finden, die ich gerne sein wollte als junges mädchen. ich habe mir die haare ganz kurz geschnitten, abrasiert in einer klinik. ich versuche herauszufinden, was ich schön finden könnte. ich ziehe in eine neue stadt und lerne immer mehr über mich. ich traue mich vieles nicht zu tragen, aber bewundere auch vieles an den alternativen menschen meines studiengangs. ich fange an, etwas aus mir heraus zu kommen. zum ersten mal beginne ich herauszufinden, wie ich mich auf fotos mag. ich beginne, diversesten accounts zu folgen, auch und vor allem menschen, die ich für ihre art mag, sich selbst zu akzeptieren.
bin ich hässlich?
ich bin zweiundzwanzig. ich habe mir angewöhnt, mich regelmäßig zu filmen und zu fotografieren. meine haut ist nicht perfekt. manchmal, wenn ich alleine bin, versuche ich mich an makeup. ich beginne, outfitvideos zu machen. manchmal teile ich sie auf instagram. ich zweifle an mir, aber traue mich immer mehr. ich gehe nicht mehr im hoodie aus dem haus.
auch ohne körperbild beginne ich, schön sein zu wollen. in der neuen stadt sprechen mich manchmal männer an. ich will nichts von ihnen. manchmal merke ich, dass selbst catcalling neben ekel auch einen kleinen teil von mir freut. endlich nicht mehr nur hässlich, sondern irgendwie begehrenswert.
es ist märz, und ich bin am meer. ich trage schmuck, die ohrringe aus riga, eine bunte kette. ich möchte suchen, wie ich mich schön finde. ich finde etwas mut, genug, um mir vorzunehmen, weiter auszuprobieren. ich gestalte mein aussehen immer bewusster, und versuche mich anhand dessen im spiegel zu erkennen.
es tut gut, sich selbst zu suchen, und manchmal sogar zu finden.
draußen rauscht das meer. ich höre die wellen in der ferienwohnung. die möwen über dem dorf kreischen von freiheit. ich mache ein highlight auf instagram, um meinen stil verfolgen zu können.
zum ersten mal möchte ich einen eigene art haben, mich zu kleiden.
ich mag mich nicht, aber langsam erkenne ich, dass mich zu verstellen das wohl auch nicht verbessern wird. ich bin nicht mehr die kleine anna von damals. ich bin eine frau geworden. zum ersten mal möchte ich auffallen. ich jage selbstbewusstsein und trage schmetterlinge an den ohren.
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